Die Scham

Volkstheater/Dunkelkammer: Schauspiel

„Das Leben lässt sich in Abschnitte teilen. Den ersten Zahn verloren. Der erste Schultag. Die erste Periode. Das erste Mal genug alt um am Familienfest ein Glas Wein zu trinken. Zu arbeiten. Zu heiraten. Kinder zu kriegen. Nicht mehr zu arbeiten. Zu sterben.“

Man sitz in der kleinen Dunkelkammer, im Dachgeschoss des Volkstheaters und eine Frau im Publikum fällt auf. Sie weint lautlos und hat weder Jacke noch Tasche bei sich. Nur ein Taschentuch. Sie kommt auf die Bühne, rsp. In die Mitte des Raumes und beginnt zu sprechen. Sie erzählt von dem Vorfall als ihr Vater ihre Mutter mit einem Beil umbringen wollte.

Annie Ernaux spricht so unglaublich klar und bildhaft das man an ihren Lippen hängt. Auch wenn sie schweigen. Es hat schon fast etwas Poetry Slam -haftes. Auch der Raum wird schön genutzt: Immer wieder andere Beleuchtung, mal Spot mal blendend mal ganz dunkel, mal rot. Mal nahe am Publikum, mal am Boden liegend. Das ganze wird immer wieder sehr passend musikalisch unterlegt und durch den Einsatz von Tonbändern kommt eine spannende Dynamik und eine Art Echo ins Spiel. Eine Art dialogischer Monolog.

Nach dem ersten Drittel beginnt eine Assistenz live auf der Bühne A3 grosse Fotos zu entwickeln. Von der jungen Erzählerin, ihrer Kindheit, ihrer Eltern. Es untermalt die Geschichte und die Gefühle die Annie erzählt. Die Beziehung zwischen der Assistenz und Annie ist fürs Publikum nicht ganz klar.

Am Ende zieht sich die sonst sehr stimmige Performance etwas in die Länge was schade ist, da sich gerade da der Kreis etwas schliesst und auch die Thematik der Scham erstmals richtig aufkommt. Aber alles in allem super Präsenz und Stück.

Von fast eingeschlafen (1) bis ich will nochmal (5): Ich bin froh war ich da. Es war doch relativ intensiv aber eigentlich zugänglich und faszinierend.

Würd ich’s meinen Nachbar:innen empfehlen?: Ehm wenn es auch Freund:innen von mir sind dann auf jeden Fall. Für Fremde fänd ichs etwas heftig die Verantwortung zu übernehmen. Aber für Sprach-Fans und Theaterfreund:innen durchaus spannend.

Geeignet für: Profis, Interessierte, Schulklassen